Anfang des Jahres durfte ich den ehemaligen Leutnant zur See Kühne kennenlernen, der wohl der letzte lebende Offizier der Kleinkampfverbände sein dürfte. Der gebürtige Dresdener meldete sich nach der Marine-HJ zu den Überwasserstreitkräften, diente auf dem Kreuzer Prinz Eugen und landete schließlich im strenggeheimen Lehrkommando 250, in welchem er zum Fahrer des Kleinst-U-Bootes „Biber“ ausgebildet wurde.

Für den Einsatz wurde er in den hohen Norden entsendet und auf einer kleinen Insel nahe den Lofoten stationiert. Das Buch über seine Lebenserinnerungen erschien im Mai und wir durften uns über eine große Leserschaft freuen.
Sein geheimes Kommando, das im Schein des Polarlichts im Nordmeer bereit lag, ließ mir seitdem keine Ruhe mehr. Freilich lag es auf der Hand Kühnes K-Flottillen Stützpunkt einmal einen Besuch abzustatten. Gesagt, getan, nach 37 Stunden Autofahrt tauchten vor uns aus dem Dunst die zackigen, schroffen Klippen besagter Insel auf.

Der von Kühne beschriebene Strand, an dem die „Biber“ gewassert wurden, war schnell gefunden. Schwieriger gestaltete sich das Auffinden des genauen Standortes des Barackenlagers, in dem die K-Flottille 265 den Winter 44/45 verbrachte.
Mit den verblichenen Fotografien aus Kühnes Fotoalbum ging es über Stock und Stein, immer den Verlauf der Bergrücken im Hintergrund vergleichend. Schließlich war die Ebene gefunden, in dem die „Biber“ gewartet wurden.

Kühne hatte die Fläche gut beschrieben. In Vorbereitung auf den Einsatz hatte er und die anderen Fahrer dort bis zu 12 Stunden in den Booten gesessenen, mussten wach bleiben und nahmen Pervitin-Tabletten ein.
In einiger Entfernung fanden sich dann auch noch die Felsenbunker im Unterholz, die den „Bibern“ als Garage dienten.

Auch von den Baracken fanden sich Spuren: Fundamentreste, kaputte Öfen und Fragmente von Fenster und Türen. Eine genauere Begutachtung des Geländes brachte mehrere Mülllöcher zum Vorschein. Neben zahlreichen Gasmaskendosen, Kochgeschirren und den üblichen „Indizien“, fand sich allerlei Geschirr der Königlichen Porzellan-Manufaktur.

In Anbetracht der personell begrenzten Größe des Kommandos und der halbjährigen Stationierung, dürfte es doch sehr wahrscheinlich sein, dass auch Kühne einmal aus diesen Tassen einen Tee trank.
Große Freude bereitete uns dann der Fund der selbsthergestellten Mützenabzeichen des Kommandos.


Während andere Flottillen kleine Biber an der Mütze trugen, hatte die K-265 passend zur Umgebung ein Wikingerschiff gewählt. Ein paar dieser Erinnerungsabzeichen blieben im Barackenlager zurück, die meisten dürften aber wohl mit in die Heimat genommen worden sein. Eines der Abzeichen ist mit 1.K. markiert, was wohl für 1. K-Division „Narvik“ steht, der die K-265 unterstand. Die kleinen Schiffchen dürften von verschiedenen Künstlern aus unterschiedlichen Materialien gefertigt worden sein, wie die reichlichen Abschnitte, die beim Ausmeißeln übriggeblieben sind, belegen.

Das Aluminium stammte übrigens vom Wrack eines Dornier-Wasserflugzeuges, das 1943 in der Nähe abgestürzt war.
Zu guter Letzt kamen wir nach freundlichen Gesprächen mit Anwohnern auf die Spur der Kleinst-U-Boote der Flottille. Kühne selbst hatte nach Kriegsende mitgeholfen einige der „Biber“ abzutransportieren, welche die Briten als Kriegsbeute für sich beanspruchte. Offenbar benötigte man nur ein oder zwei Musterexemplare, den Rest sprengte man notdürftig und überließ ihn der örtlichen Bevölkerung. Wohl deshalb blieben einige Trümmer erhalten und wir durften uns über einen zerbrochenen Kommandantenturm freuen – wohlgemerkt war das ein Aluminiumbauteil.

Nach der Heimreise führte uns der erste Weg natürlich zur Lt. z. See Kühne, der kürzlich den 102. Geburtstag feiern durfte. Er war ganz aus dem Häuschen, als wir ihm unsere ausgedruckten Urlaubsbilder vorgelegt haben. Für zukünftige Abende in der heimischen Stube hat er nun wieder eine der Porzellan-Tassen, aus denen er schon vor über 80 Jahren als junger Marineoffizier Tee geschlürft hat.

Ein eindrucksvoller Rückblick auf seine Marinezeit war ihm das Oberteil des Kommandantenturms (möglicherweise sogar seines Einsatzbootes), welches wir ihm auf die Veranda geschleift hatten. „Mein Gott“, sagte er nachdenklich, als er die wirklich enge Einstiegsluke wieder sah.


Mit 19 Jahren hatte er sich dort hineingezwängt, um im Schutze der Dunkelheit alliierte Schiffe anzugreifen. Wahnsinn war das, sagte er. Ein Großteil seines Kommandos hatte in diesem nassen Sarg im Ärmelkanal den Tod gefunden. Nachdenklich legte er seinen Gehstock beiseite, ging in die Knie und strich mit der Hand über die verblichene beige Tarnfarbe. Ein U-Bootfahrer und sein Boot – wieder vereint nach 80 Jahren.


Wer von euch sich für seine Geschichte interessiert und unsere Arbeit unterstützen möchte, findet unser Buch (Signatur möglich!!) hier:
Die Wikingerschiffe der K-Flottille 265