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Das Armband von Russell O’Rourke

Am 16. Juli 1945, wenige Wochen nach Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa, stürzte ein amerikanischer B-17-Bomber während eines Versorgungsfluges in der Nähe von Vils in Österreich in unwegsamem Berggelände ab. Es gab keine Überlebenden, alle sieben Besatzungsmitglieder fanden beim Absturz den Tod. Die US-Besatzungstruppen zeigten kein großes Interesse, die Trümmerteile des Bombers zu bergen und das Wrack verblieb zunächst am Berg. Von Schrotthändlern und Souvenirjägern über die Jahre zerschnitten und zerlegt, verblieben nur die Bauteile des Flugzeuges am Absturzort, welche sich als zu unhandlich und unrentabel im Abtransport erwiesen. Bis heute lassen sich im Ausläufer einer Geröllhalde die Überreste von zwei Sternmotoren und einem Fahrwerksbein bestaunen.

Im Herbst 2021 machte ich mich gemeinsam mit einem Bekannten auf, um die Absturzstelle aufzusuchen. Ein Großteil der Höhenmeter ließ sich mit dem Auto bis zu einer nahegelegenen Almhütte zurücklegen. Von dort aus ist die Absturzstelle innerhalb von 90 Minuten Fußmarsch zu erreichen. Das Groß der Trümmerteile liegt circa 50 Meter links neben einem Wanderweg, am Ende einer kleinen Almwiese. Insbesondere die Motoren weisen offensichtliche Brandspuren auf. Im Umkreis der Motoren finden sich weitere kleinere Bruchstücke, allerdings alle bis zur Unkenntlichkeit deformiert.

Sternmotoren an der Absturzstelle im Herbst 2021
Adrian Matthes am Fundort

Die jetzige Lage der Wrackteile dürfte nicht dem ursprünglichen Einschlagsort des Bombers entsprechen. Durch Lawinenabgänge und andere Umwelteinflüsse sind die Trümmerteile in den vergangenen Jahrzehnten hangabwärts bewegt worden. Bei aufmerksamer Betrachtung des hinter den Motoren ansteigenden Hangs fiel uns bald eine dunkel verfärbte Stelle im Geröll auf. Ein Vielzahl kleinerer Metallsplitter und auch Plexiglasbruchstücke (vermutlich von der Cockpitverglasung?) markierten den Aufschlagsort des Rumpfes. Oberflächlich neben einem Grasbüschel liegend fiel mir ein Knopf ins Auge. Machart und Beschaffenheit entsprachen den Druckverschlüssen, wie sie damals auch vom US-Militär verwendet wurden. Fast zeitgleich entdeckte mein Bekannter zwischen zwei Steinblöcken etwa zwei Meter neben mir einen kleinen silbernen beschriebenen Metallstreifen. Ganz offensichtlich handelte es sich um ein gerissenes Armband. Aber konnte das tatsächlich einem Besatzungsmitglied des Bombers gehört haben? Wieso lag es noch nach 76 Jahren offensichtlich an einer Stelle, welche fast täglich von Wanderern passiert wurde?

Gefundene Druckknöpfe und das silberne Armband

Erst zuhause ließ sich nach kurzer Internetrecherche eine Besatzungsliste des Unglücksfliegers ermitteln. Und tatsächlich, der auf dem Armand eingravierte Name „Russell O’Rourke“ stimmte mit dem des MG-Schützen überein. Über ein US-Forum ließ sich in Erfahrung bringen, dass er ganze 14 Missionen über Deutschland geflogen war und mehrfach ausgezeichnet wurde, bevor er als Sergeant bei Vils den Tod fand.

Russell O’Rourke

Für den Finder des Armbands und mich stand es außer Frage, dass der beste Endverbleib des Fundstückes eine Rückgabe an die Angehörigen von Russell O’Rourke wäre. Über Facebook konnte Kontakt zu Uwe Benkel von der Arbeitsgruppe Vermisstenforschung aufgenommen werden, welcher sich gemeinsam mit seinen amerikanischen Kollegen auf die Suche nach den Angehörigen machte. 2022 konnte in Mesa, Arizona ein Neffe ausfindig gemacht werden, welcher, in Erinnerung an seinen Onkel, ebenfalls Russell O’Rourke genannt wurde. Das Armband fand alsbald den Weg zu ihm zurück und erregte in amerikanischen Medien, Zeitungen und Fernsehen eine gewisse Aufmerksamkeit.

Russell O’Rourke, der Neffe, brach in Tränen aus, als er sich mit gebrochener Stimme bei allen bedankte, die sich für die Rückgabe des Armbandes eingesetzt haben.
Es war sein Wunsch, dass er das Armband seines Onkels fortan gerne tragen möchte. Diesen Wunsch hat er sich erfüllt. Das Armband wurde wieder gerichtet, eine neue Kette mit Verschluss angebracht. Nach einiger Zeit übersandte uns Russell O’Rourke dann ein Bild, das Armband am Handgelenks des Neffen, mehr als 77 Jahre nach dem Tod des ersten Trägers.

„Dieses Armband bedeutet mir so viel und ich bin all denen unendlich dankbar, die dafür sorgten, dass dieses Armband als Erinnerung an einen geliebten Menschen den Weg zur Familie zurückfand. Ich werde dieses Armband in Ehren halten und es bis zu meinem Tode voller Stolz tragen“, schrieb Russell O’Rourke.

Russell O’Rourke mit dem zurückgegebenen Armband
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Das Armband von Russell O’Rourke

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